Also, hört grad kurz alle nochmal her. Ich möchte mich hiermit zum wiederholten Mal und ausdrücklich für den gesetzten Like unter den Tweet, welcher als Teilelement auch ein Bild einer historischen, vermutlich aus Zeiten der französischen Revolution stammenden Hinrichtungsszene enthielt, entschuldigen.

Michele Binswanger bezeichnet sich auf Twitter, jener Social Media-Plattform, auf welcher dieses Bild in einem Kontext erschienen war, als Jeanne d’Arc der Pressefreiheit und spielt zwar mit dem Bild der hingerichteten Märtyrerin. Weiter wurde im Kommunikationsverlauf (Kontext) die von M. Binswanger in einem neu erschienenen Artikel verwendeten Metaphern “mediale Hinrichtung”, “virtueller Scheiterhaufen” oder der Satz “Der Vorwurf, rechts zu sein, kann ein gesellschaftliches Todesurteil sein” von einem Kollektiv in ebendiesem Szenenbild dargestellt. 
Ein Bild zu zeigen ist aber nochmal etwas anderes, als ein Wortbild zu bedienen. 
Es verletzt die Gefühle der dargestellten Person und jene der Betrachter. Es brennt sich ein, das haben die Mitlesenden – auch ich – gemerkt. So wurde dann auch die Überschrift des Tweets “Was der Rest der Welt sieht: *He Michele, das stimmt gar nicht* vs. Was Michele sieht: *(Bild)*” von vielen überlesen.

Für die missglückte Bebilderung haben sich die Urheber des Kollektivs Megafon Reitschule Bern inzwischen entschuldigt, reflektiert, den Fehler ausführlich eingestanden und den Tweet entfernt.
Wie gesagt, abgeschnittene Köpfe zeigt man nicht. Auch in lächerlichen Montagen nicht und egal, ob ich die vermeintliche Täter-Opfer-Umkehr der Autorin begrüsse oder nicht: Es wäre an mir und an #NetzCourage gewesen, mich auch öffentlich, also nicht bloss im selben Textverlauf auf Twitter, zu distanzieren. Das hätte ich ohne Zögern auch in Medienerzeugnissen gemacht, wenn ich gefragt worden wäre. Bis jetzt wurde mir diese Gelegenheit nicht gegeben. Deshalb mache ich es hier noch einmal mit Bedauern und explizit. 

Ich hätte auch gerne mein Bedauern gegenüber 20Minuten ausgedrückt. Dort wurde das anstössige Bild tausendfach verbreitet, nachdem der Tweet und das Bild von Megafon längst entfernt worden waren. Allerdings wurde ich in dem Artikel nicht um meine Meinung gefragt oder um eine Stellungnahme gebeten. Ich hätte auch hier gesagt, dass ich den Like bereue, verstanden habe, dass Bilder heftiger wirken als geschriebene Journalistinnentexte, meinen Fehler eingesehen und mich inzwischen öffentlich distanziert habe.

Der Like, meiner war einer unter 72, den ich – zugegeben – ziemlich im Affekt unter das Bild gesetzt habe, veranlasst den obersten Chefredaktor von Tamedia, Arthur Ruthishauser, zu einem Kommentar, in welchem er mich der Volksverhetzung bezichtigt, “wie wir sie bei Rechtsextremen erwarten und wie wir sie eigentlich seit 1945 bei uns überwunden glaubten”. Mit anderen Worten: Wegen einem unpassenden Like, für den ich mich und auch die Urheber aufrichtig entschuldigt haben, vergleicht mich der Chefredaktor des grössten Schweizer Medienverlags mit Nazis. 

Ich habe Arthur Rutishauser um eine Stellungnahme gebeten. Ich wollte wissen, weshalb er mich nicht befragt hat, und ob es ihm ernst sei mit seinem Nazivergleich. Ich habe heute Mittag eine Antwort per Email bekommen. Ruthishauser verschanzt sich mit seiner Tatsachenbehauptung fälschlicherweise hinter der Artikelform: “… wie Sie vielleicht bemerkt haben handelt es sich bei meinem Beitrag um einen Kommentar. Da ist es nicht üblich Zitate oder Stellungnahmen der Gegenseite einzuholen. “ Und auch beim Nazivergleich bleibt er: “Ansonsten finde ich die Hetze, die da betrieben wurde, einfach weil jemandem die Ansichten einer Journalistin nicht passt, totalitär und intolerant. Zu was Intoleranz und Hetze führen kann, das haben wir in Europa erlebt.” 

Ich bin etwas ratlos. Es laufen auf politischer Ebene von rechter Seite offene Angriffe auf das Engagement von #NetzCourage. Nationalrat Glarner hat angekündigt, alles dagegen zu tun, dass #NetzCourage öffentliche Unterstützung bekommt. Mit der Soforthilfe- und Beratungsstelle #NetzAmbulanz leisten mein Team und ich seit 4 Jahren Pionierinnenarbeit und richten täglich rund um die Uhr teils unmenschlich belastende Arbeit für die Schwächsten der Gesellschaft aus. Endlich wird diese Arbeit nun anerkannt. Nun wird ein unbedachter Gefällt-mir-Knopf zum Anlass genommen, den Angriff auf dieses Engagement zu fahren und in Frage zu stellen. Wie sehr sich 20Minuten und der Tagesanzeiger-Chef dabei von Glarner und Köppel einspannen und wie unjournalistisch sie vorgehen, überrascht mich nicht mal.

Die Leser*innen werden durch bewusstes Weglassen des gesamten Kontextes und der Information, dass ich mich längst distanziert habe, vom Chefredaktor bewusst desinformiert, gar manipuliert.
Auch wenn dies alles als taktische Vorgehensweise zu begründen ist: Sowas ist in der Schweiz neu und brandgefährlich. 

Aber bleiben wir beim wichtigsten Punkt. Für den von mir gemachten Fehler, einen Like unter einen inadäquaten Tweet gesetzt zu haben, entschuldige ich mich erneut und im Namen von #NetzCourage in aller Form. Ich werde künftig besser aufpassen, ein Mensch bleibe ich aber.

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